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Der historische Ortskern von Klingenmünster – Ein Rundgang

Wir möchten Sie dazu einladen, ein wenig auf August Beckers Spuren zu wandeln und Klingenmünster einmal aus historischer Sicht zu entdecken. Der Rundgang führt Sie zu den wichtigsten Orten der ereignisreichen Geschichte des über 1300 Jahre alten Dorfes. Die hier vorgeschlagene Runde ist leicht in ein bis zwei Stunden zu bewältigen – mit Abstechern zur Nikolauskapelle und zum Bergfriedhof etwa eine Stunde mehr – und eignet sich bestens für einen Nachmittagsspaziergang. Lassen Sie sich ausreichend Zeit, um die beschriebenen Sehenswürdigkeiten in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Beachten Sie bitte, daß die meisten der beschriebenen Gebäude in Privatbesitz sind und deshalb nur von außen besichtigt werden können. Kirche, Kloster und Nikolauskapelle können auch von innen besichtigt werden, sofern man sich vorher im katholischen Pfarramt anmeldet. Hierbei ist der Tourismusverein oder der  Freundeskreis Kloster Klingenmünster gerne behilflich. Wenden Sie sich gegebenenfalls an das Tourismusbüro.

   

Gemeindehaus und August-Becker-Geburtshaus (No 1)
Steinstr. 2, 1765 als „Rhathaus uf der Bach“ erbaut. Das im 19. Jh. als protestantisches Schulhaus genutzte Gebäude ist das Geburtshaus von August Becker (Gedenktafel) und beherbergt heute das Museum, das Büro des Bürgermeisters, den Ratssaal und die Gemeindebücherei. Über dem  Eingang befindet sich ein alter Wappenstein mit der Urform des heutigen Ortswappens.
Öffnungszeiten Museum: Zur Zeit nicht regelmäßig geöffnet, Anmeldung für Gruppen bei Christel Flory, Tel. 06349-5617

Von hier geht es entlang der Weinstraße in nördlicher Richtung zum

 

Stifts-Dechantenhaus (No 2)
Weinstr. 69, im Jahr 1575 von Dechant Nicolaus Will als Fachwerkhaus mit über Eck stehendem Erker und überdachter Freitreppe erbaut.  Das Untergeschoss beherbergt einen tonnengewölbten Keller mit charakteristischen Steinschiebern. Inschrift am Erker:
„NICLANS WILL DIESER ZEIT
DECHANT ALHIE 1.5.7.5“

Wer die Runde etwas ausdehnen möchte, kann der Weinstraße noch ein kurzes Stück folgen bis zur Einmündung der Alten Straße. Hier befindet sich der letzte Sandstein-Brunnentrog der ehemaligen Wasserversorgung. Er wurde 1945 von einem französischen Panzer beschädigt und verlor damit seine Funktion.

 

Auf der östlichen Seite der Weinstraße geht es nun zurück ins Zentrum. Dort, wo der Klingbach nach Osten abbiegt (rechts von der Weinstube „Zum Fuchsbau“), ist ein gut erhaltener Jahresstein „1551“ am Haus Weinstraße 45 (Bachseite) zu sehen.

 

 

Entlang der Klostermauer mit dem „Sauerbrünnel“  folgen Sie der Weinstraße bis zur Station 3.

Die Stiftsschaffnei (No 3)
ein 2-geschossiges Wohnhaus Ecke Weinstraße/Im Stift (Fam. Heiner Kuhn). Es wurde vermutlich in der 2. Hälfte des 16. Jh.s als Verwaltungsgebäude des Chorherrenstifts erbaut und 1748 von Johann Caspar Guerdan umgestaltet. Der Eckerker auf profilierten, an 3 Seiten mit Rosetten verzierten Renaissancekonsolen aus Buntsandstein (Steinmetzzeichen) stammt aus dieser Zeit. Durch weiteren Umbau im 18. Jh. wurde das Gebäude stark verändert. Es wurde ein profiliertes, ausladendes Walmdach mit rustizierten Ecklingen aufgesetzt. Die Erkerfenster und die profilierte Haube stammen aus dem Barock. Unter dem Erker befindet sich das Relief eines Mönchkopfes.

Vor dem Haus steht das August-Becker-Denkmal, das 1907 zum Andenken an den bekannten Schriftsteller und Heimatdichter errichtet wurde. Neben der Büste des Dichters sind auch Szenen aus seinem Roman „Hedwig” dargestellt. August-Becker wurde am 28. April 1828 im protestantischen Schulhaus zu Klingenmünster geboren und verstarb am 23. März 1891 in Eisenach, wo er seit 1868 gelebt hatte. In den 30er Jahren wurde er „heimgeholt” und fand in einem Ehrengrab auf dem Klingenmünsterer Bergfriedhof seine letzte Ruhe.

In der Nachbarschaft, am Zimmerplatz, befindet sich die nächste Station.

Katholisches Schulhaus (No 4)
Erbaut 1827, mit 4:3 Fensterachsen und Portal in Rundbogenblende mit Inschrift.

 

 

Nun folgt das eigentliche Herz des historischen Ortszentrums

Kloster und Pfarrkirche St. Michael (No 5)
Das Benediktinerkloster Klingenmünster “Clinga Monasterium”, 626 bis 1565, ist Namensgeber und Keimzelle des Ortes. Es handelt sich wahrscheinlich um das älteste der Urklöster Deutschlands. Da alle Dokumente beim Großbrand im Jahr 840 vernichtet wurden, bezieht sich das Gründungsjahr 626 auf eine Inschrift in einem Fundamentstein, der bei Umbauten im 18. Jh. freigelegt wurde. Das Kloster soll auf Veranlassung des Merowingerkönigs Dagobert I. von iroschottischen Mönchen gegründet worden sein. Erste schriftliche Erwähnung findet sich in der „Fleidoliste“ des Klosters Reichenau als „de monasterio quod Clingo vocatur sive Plindinvelt“. Im Verbrüderungsbuch von St. Gallen wird es „de monasterio Clingone“ genannt. Man lebte nach den Regeln des heiligen Columban, bis diese im 8. Jh. durch die Regeln des heiligen Benedikt (ora et labora) abgelöst wurden. Die Blütezeit des Klosters war zur Salier- und Stauferzeit ab ca. 850 bis ins 13. Jh.
Die Mönche rodeten das Land und bauten Fronhöfe und Siedlungen, Kirchen und Kapellen. Ausbauorte des Klosters sind unter anderen Pleisweiler-Oberhofen, Niederhorbach und Kapellen. Den Höhepunkt seiner Entwicklung mit hohem Stand an Bildung und Kultur hatte es unter Abt Stephan I. um 1100. Die Klöster bildeten damals die kulturellen und geistigen Zentren des Landes. Im Jahr 1223 sprach Papst Honorius St. Michael den besonderen Schutz des Klosters durch den Heiligen Stuhl aus. Zum Schutz der Abtei wurden im Verlauf der Jahrhunderte die drei Burganlagen Heidenschuh, Schlössel und Landeck errichtet.
Der Niedergang des Klosters begann 1491 mit der Umwandlung in ein weltliches Chorherrenstift durch Papst Innozenz VIII. Während der Bauernkriege um 1525  wurde das Stift geplündert und mit Einführung der Reformation durch Kurfürst Friedrich III. im Jahr 1567 säkularisiert. Später wurde es wieder  rekatholisiert, mehrfach umgebaut, teilweise abgerissen und erneut säkularisiert.


1928 wurden Grabungen durchgeführt und die Basis der nördlichen Westsäulen des Schiffes freigelegt sowie der Boden entwässert. Erhalten sind bauliche Reste des Kirchenbaus von 1100: Das romanische Westwerk, die Doppelturmanlage mit Spindeltreppen, eine spätromanische Emporenkapelle  und die Verbindung zum Abtshaus. Malereireste findet man nur noch über dem Chorbogen an der Ostwand (Umrisse einer Maria mit Kind). Ein ehemaliges  südliches Querschiff (früher mit Apsis) ist heute Sakristei. Reste des Ostflügels (Dormitoriumstür), renoviert 1990. Südlich zwischen den Hauptgebäuden  schließt der ehemalige Kreuzgang an die Kirche an. Es sind nur einige romanische Reste erhalten (zweiteilige Rundbogenarkade, Mittelsäulen mit  Eckknollenbasis und Würfelkapitellen). Im Jahr 2001 wurde ein neues Kirchenfenster eingebaut, das der brasilianische Künstler „Sarro“ gestaltet hat. Die  Klosteranlage war von einer schützenden Mauer umgeben. Mauerreste aus dem 13. Jh. befinden sich an der Nordseite, entlang des Klingbachs, zwischen  Stiftsschaffnei und Pfarrgarten. 1996 wurde der ehemalige Klostergarten wieder als Kräutergarten angelegt.

Auf der anderen Straßenseite befindet sich 

Das Stiftsgut Keysermühle (No 6)
Auf historischem Grund der früheren Klostermühle (vgl. Klosterplan Nr. 19 u. 21) gelegen. Durch den Klostergarten führte der Mühlbach, dessen Bett noch teilweise erhalten ist, entlang der südlichen Klostermauer an der Mühle vorbei durch die Gärten (heutiger Park) zum Klingbach.
Durch die Säkularisation im 16. Jahrhundert kam die Mühle in Staatsbesitz und wurde verpachtet. Ab 1705 wurde das Stift wieder der geistlichen katholischen Verwaltung in Heidelberg unterstellt und der Bestand der Stiftsmühle blieb bis 1789 unverändert. Nach der französischen Revolution wurde die Pfalz französisch und die Stiftsmühle wurde 1795 versteigert. Friedrich Couvert aus Oberhausen kaufte das Anwesen zu einem Preis von 377.000 livres. 1842 wird beurkundet, dass der Müller Wendel Keyser, im Besitz der Mühle ist. Die Familie Keyser betrieb die Mühle über mehrere Generationen bis 1953. Da die letzten beiden Töchter Emma und Ida Keyser ohne Erben blieben, vermachten sie den gesamten Besitz der Evangelischen Kirche der Pfalz, die die Gebäude umfassend sanierte und die Keysermühle ca. 25 Jahre als Schulungs- und Tagungszentrum nutzte. 2009 erwarb die Bürgerstiftung Pfalz das Anwesen und führte erneut umfangreiche Renovierungs- und Umbaumaßnahmen durch. 2010 wurde das integrative Hotel-Restaurant Stiftsgut Keysermühle eröffnet.

 Weiter geht es um die Kurve in die Bahnhofstraße zur

Napoleonsbank (No 7)
Die Bank steht in der Bahnhofstraße neben der Einfahrt zur Keysermühle. Insgesamt 125 dieser Bänke wurden auf Weisung Napoleon I., anlässlich der Geburt des heißersehnten Dauphin, im gesamten Departement Bas-Rhin aufgestellt, zu dem auch die Pfalz gehörte. Die Bänke wurden meist im Umkreis der Dörfer aufgestellt, damit die Landbevölkerung oben die Lasten (man trug vorwiegend Kopflasten) abstellen und ausruhen konnte. Sogenannte „Ruhen“ haben eine sehr lange Tradition. Besonderheiten:
In Klingenmünster hat die Bank oben keinen Sturz, nur Verstärkung der Wangen. Im rechten oberen Kapitel findet sich eine Inschrift:
„La Commune De Klingen Minster“.

Bevor man die Straße in Richtung des ehemaligen Postamts – Ecke Poststraße – überquert, lohnt ein Blick auf das gegenüberliegende Haus Bahnhofstraße Nr. 6. In dem um 1900 im Stil des romantischen Klassizismus oder Historismus aus einheimischem Sandstein erbauten Haus wohnte die Familie Decker, die zuvor den Magdalenenhof an der Nikolauskapelle bewohnt hat, dessen Geschichte von Albert Decker (1883 – 1967) aufgeschrieben wurde.

Durch die Poststraße geht es nun bergauf zum

Haus Schaffer (No 8)
Erbaut 1928 nach Plänen von Richard Riemerschmid (1868 – 1957), einflussreichster Architekt des Münchner Jugendstils, Erbauer des Schauspielhauses München und der ersten deutschen Gartenstadt in Dresden Hellerau sowie Gründungsmitglied des Deutschen Werkbundes. Haus und Garten stehen unter Denkmalschutz als hervorragendes Zeugnis einer Stilrichtung – Werkbund –, die die Verwendung natürlicher Baustoffe in handwerklicher Ausführung forderte. Heute befindet sich in dem Haus eine Arztpraxis.

Nach der „Umrundung des Gebäudes“ führt der Riemerschmidweg auf der Westseite wieder hinunter zur Bahnhofstraße. Links herum geht es zurück bis zur Kurve und geradeaus in die gegenüber einmündende Straße „Im Winkel“. An deren Ende schlüpft man dann durch die engste Gasse von Rheinland-Pfalz – Durchgang nur 39 cm breit (!) – auf die Weinstraße zum

Guerdanhaus (No 9)
Weinstr. 26 (früher hier südl. Ortseingang), in den Jahren 1765/66 von Anton Ludwig von Guerdan als 2-geschossiges Barockhaus aus rotem Buntsandstein mit gebrochenem Walmdach erbaut. Die Hausecken sind durch rote Sandsteinlisenen gegliedert, eine doppelläufige Treppe führt zum Rokokoportal aus Sandstein. Innen befindet sich eine gewundene Sandsteintreppe, Türen mit original Bändern, Griffen und Beschlägen. Das Haus hat zweiflügelige von Sandstein eingefasste Sprossenfenster, darüber reicher Rokokostuck in Form von Band- und Muschelwerk. Zum Anwesen gehörten außerdem ein Gesindehaus, Scheune, Stall und Garten.
Anton Ludwig von Guerdan war Husarenrittmeister. Er wurde 1762 als „Chevalier de la Croix de St. Louis“ geadelt und zum Obristenleutnant befördert. Er betrieb in dem Anwesen eine Leinenfabrik. Nachdem Guerdan wegen hoher Steuerschulden 1797 „von der Stelle gemacht und emigriert war“, wurde das Anwesen versteigert. Das Haus beherbergte bald darauf eine Bierbrauerei, dann die Gastwirtschaft „Pfälzer Hof“ und später einen Kohlen- und Baustoffhandel. Seit 1987 ist das Anwesen wieder in Privatbesitz und wurde seitdem liebevoll restauriert. Der Barockgarten wurde vom heutigen Besitzer nach französischen und englischen Vorbildern neu angelegt.

Neben dem Guerdanhaus befindet sich das ehemalige Gasthaus zum Ochsen (früher „Zum Roten Ochsen“), erbaut 1690 und 1837 umgebaut. Das Wirtshausschild stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jh. Der Ochsenwirt rettete einen Stiftsbeamten bei revolutionären Unruhen im 18. Jh. vor den Bauern aus Gossersweiler, die ihn an seiner Haustür aufknüpfen wollten.

Durch die Mühlgasse geht es nun zur

Bocksmühle (No 10)
Auch Boxmühle (der Name kommt von Paxmühle) genannt, laut Inschrift erbaut um 1575, seit 1909 im Besitz der Fam. Klein, die den Betrieb 1910 einstellte. Der Sage nach wollten Schatzsucher an dem Ort einen Schatz bergen, der mit einem Bock abtransportiert werden sollte. Sie wurden dabei überrascht und mussten den  Bock zurücklassen. Die Mühle wurde als „Mahlmühle hinten am Dorf in der Hültzengaß“ 1752 erstmals schriftlich erwähnt. Der Name Boxmühle taucht erst 1842  im Urkataster auf. Vorher ist ihre Existenz nicht nachzuweisen, auch nicht auf den alten Rechnungen für Wasserzins. Eventuell wurde sie an diesem Platz  erst im 18. Jh. als Nachfolger einer weiter hinten am Totenweg gelegenen Mühle erbaut. Das heute noch funktionsfähige Mühlrad hat einen Durchmesser von 3 m. (Bild: Bocksmühle Nordansicht, im Vordergrund der Mühlbach).

Von hier folgt man dem Weg neben dem Mühlbach über die Wiesen bis zum Klingbach und am Bach entlang zum

Amtshaus(cmyk)Kurpfälzischen Amtshaus (No 11)
Steinstraße 11-13, erbaut im Jahre 1716 durch den Fauth 
(= Vogt, Kurpfälz. Amtmann/Statthalter) Georg Ludwig von Jungken in der „Steingaßen zu Clingenmuenster“, nach der Zerstörung des ursprünglichen Amtssitzes auf der Burg Landeck im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1689) und Verfall (wegen Feuchtigkeit) des ersten, provisorischen Neubaus in den Hofwiesen. Zum Anwesen gehören: Ein zweigeschossiges Wohn-/Amtshaus mit Halbwalmdach und hohen Fenstern (10:3) sowie dem Portal an der Nordseite, Hofraum, Gärten, zwei Zehntscheuern, Nebengebäude, Umfassungsmauern, Schreiberei mit Prison (Gefängnis) und Glockenstuhl und eine „Capell“ (dem Hl. Joseph geweiht, ab 1738 das Privileg Messe zu lesen, z.B. wenn es wegen Hochwasser nicht möglich war, ins Stift zu gehen. Seit 1789 nur noch Glockenturm erhalten).
Das Amtshaus war Verwaltungssitz des Unteramts Landeck (Oberamt Germersheim). Um 1789 gehören zum Unteramt Landeck 20 Dörfer: Klingenmünster, Gleiszellen, Gleishorbach, Münchweiler, Silz, Stein, Völkersweiler, Lug und Schwanheim, Heuchelheim, Göcklingen, Appenhofen, Insheim, Mörzheim, Wollmesheim, Offenbach, Bornheim, Oberhochstadt, Schwegenheim und Lingenfeld.

Nach dem Besuch des Amtshauses gelangt man über die Steinstraße zum Ausgangspunkt zurück.

Die vorliegenden Informationen wurden vom Autor nach bestem Wissen aus verschiedensten Quellen zusammengetragen und frei formuliert. Trotz aller Sorgfalt  kann für Fehler keine Gewährleistung übernommen werden.

Fotos: Tourismusverein Klingenmünster
Texte, Gestaltung und Herstellung: Harald K.H. Harms, Klingenmünster
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